Die Nürtinger Zeitung über das tastenReich-Konzert im Claviersalon von Schiedmayer
Nürtinger Zeitung
"Göttliche Musik auf himmlischen Instrumenten"
Göttliche Musik auf himmlischen Instrumenten
Wendlingen. Die Schiedmayer-Stiftung richtet in ihrem Claviersalon ein Konzert mit dem tastenReich-Ensemble aus
Verfolgt man den Konzertkalender von Lars David Kellner, dem Gründer von tastenReich®, so finden sich dort regelmäßig Konzerte mit Harmonium oder Celesta. Für den Tastenkünstler dürfte es jedoch etwas ganz Besonderes sein, diese Instrumente schon vor Ort in einem ansprechenden Ambiente aufzufinden. Insofern kann man den Claviersalon von Schiedmayer für einen Liebhaber besonderer Tasteninstrumente sicherlich als eine Art Eldorado bezeichnen.
Wenn das tastenReich-Ensemble in Wendlingen auftritt, darf man Großes erwarten. Bereits 2020 beeindruckten die Künstler mit einem besonderen Konzertprogramm auf Klavier, Harmonium und Celesta. Auch dieses Mal hatten Lars David Kellner und Susanne Sperrhake, die Gründungsmitglieder des Ensembles, eine Auswahl musikalischer Kostbarkeiten dabei. In ihrem Wort-Musik-Konzert wollten die beiden Künstler ein – wie man der Ankündigung entnehmen konnte – mehrdimensionales Bild der vorgestellten Komponisten zeichnen. Dies gelang in eindrucksvoller Weise.
Doch zunächst zur Musik. Im bis zum letzten Platz besetzten Claviersalon rieb sich das Publikum zunächst verwundert die Augen: Im Bühnenraum standen gleich vier Tasteninstrumente, die an diesem Abend erklingen sollten. Ein Flügel, zwei Harmoniums sowie das Prunkstück des Hauses, eine 5 1/2 Oktaven umfassende Celesta. Allein diese Instrumente in konzertfähigem technischen Zustand zu präsentieren, scheint außergewöhnlich. So sei an dieser Stelle den Instrumentenbauern des Hauses ein großes Kompliment ausgesprochen. Lars David Kellner schien angesichts der sich bietenden Fülle von Klangmöglichkeiten aus dem Vollen zu schöpfen. Bei seinem Vortrag einiger Preludes von Rachmaninoff spielte er den 100-jährigen Konzertflügel bis an seine Grenzen aus. Doch neben den geforderten Fortissimo-Passagen waren es vor allem die leisen Töne, die der Pianist dem historischen Instrument in perfekt dosierter Spielmanier entlocken konnte. Hier zeigte Kellner eine bewundernswerte Palette an feinsten Schattierungen vom Mezzopiano bis zum Mezzoforte, die den klanglichen Möglichkeiten des historischen Instruments ein unvergleichlich warmes Timbre verliehen. Insofern hätte sich das Publikum auch bei den dargebotenen Klavierstücken von Franz Liszt kein passenderes Medium vorstellen können, sei es im sphärischen „Sancta Dorothea“ oder aber im donnernden Schlußstück aus den „Années de pèlerinage“.
Zur Überraschung des Publikums bot der Künstler noch zwei weitere Stücke auf dem Harmonium dar, einem Instrument, dem der alternde Komponist Franz Liszt neben dem Klavier große Bedeutung zukommen ließ.
An zentraler Stelle des Konzertabends platzierte Lars David Kellner Stücke des zeitgenössischen Komponisten Kazue Isida für Celesta. Recherchen im Internet belassen die Person Isida einigermaßen im Dunkeln: Im Netz finden sich keinerlei biografische Daten zum Komponisten, jedoch eine Fülle von Notenmaterial in den unterschiedlichsten Besetzungen. Mit der bewussten Wahl der Celesta als konzertierendes Soloinstrument scheint Isida ins Schwarze getroffen zu haben: Seine Miniaturen könnten reichhaltiger nicht sein. Spielerisch perlende Passagen, mystische Klangnebel, sonore Glockentöne bis hin zum metallischen Glühen: Lars David Kellner ließ bei seinem nuancierten Vortrag dieser Stücke keine Wünsche offen und bewies, warum der Celesta im wörtlichen Sinne „himmlische“ Klänge attribuiert werden. Auch diesmal hatte der Künstler zur Freude des Publikums ausweislich Premieren angesetzt.
Mit Harmoniumwerken von Sigfrid Karg-Elert sowie Max Reger klang das Konzertprogramm aus. Hier nutzte Kellner eindrucksvoll die sich bietenden expressiven Fähigkeiten des Schiedmayer-Kunstharmoniums. Doch auch auf dem deutlich kleiner dimensionierten, jedoch nicht minder facettenreichen Saugwindharmonium brachte er die komplexe Virtuosität der Musik Karg-Elerts eindrucksvoll zum Ausdruck.
Zu diesem musikalisch verblüffenden und offensichtlich minutiös ausgearbeiteten Programm gesellte sich an diesem Abend der Textvortrag von Susanne Sperrhake, welcher der Dramaturgie des Konzerts noch gewissermaßen das Sahnehäubchen aufsetzte. Sperrhake rezitierte aus Briefen und Tagebüchern der Komponisten und verschaffte dadurch den rein menschlichen Regungen der großen Meister eine fast schon unheimliche Präsenz. Von der Verunsicherung eines jungen Rachmaninoff bis hin zur abgeklärten Altersweisheit eines Liszt, vom düsteren Sarkasmus eines Karg-Elert bis hin zu Regers deftigem Humor – Susanne Sperrhake vermochte es durch ihre kluge und empathische Vortragsweise das Publikum vollkommen in ihren Bann zu ziehen. Und mehr noch: Wer seinen Zuhörern während des Vortrages ein so großes Maß an Beteiligung entlockt, weiß mit den eigenen rhetorischen Fähigkeiten sicherlich gekonnt umzugehen.
Nur selten dürfte im Rahmen eines Konzertabends nicht nur der musikalischen Botschaft, sondern auch dem Menschen hinter der Fassade eines großen Komponisten in dieser Intensität Rechnung getragen worden sein. Ausgiebiger Applaus des dankbaren Publikums ließ die beiden Künstler noch zu zwei Zugaben hinreißen.