Lars David Kellner

FLZ über Lars David Kellners Liszt-Harmonium-Rezital: "Weihrauch für die Ohren"

Fränkische Landeszeitung

"Weihrauch für die Ohren"

Privatandacht beim Kardinal und seinem Abbé

Liszt-Festival auf Schloss Schillingsfürst: Lars David Kellner interpretierte Musik für Harmonium in der Schlosskapelle

SCHILLINGSFÜRST – Tastendonner bis der Flügel wankt, Geläufigkeitsexzesse bis die Finger streiken und ein Temperament, das jedes Publikum in Raserei versetzt. Franz Liszt hat es damit in jungen Jahren zum heiß umschwärmten Megastar gebracht. Das ist die eine Seite. Es gibt auch eine andere in seiner Musik, eine ganz andere.

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Das Schillingsfürster Liszt-Festival widmete seinem Komponisten am Mittwoch, [den 03.07.2024,] einen Abend, den es in dieser Art, in dieser Intensität, in dieser geschichtsträchtigen Zuspitzung nur an sehr wenigen Orten geben kann.

So nah, so privat, so intim hört man Liszts Musik selten, Musik zudem, die einen engen Bezug zu Gustav Adolf zu Hohenlohe-Schillingsfürst hat. Noch seltener hört man sie auf einem solchen Instrument, wie es Lars David Kellner mitgebracht hatte, um es in der Kapelle des Schillingsfürster Schlosses aufstellen zu lassen, in einem Raum, den erst Gustav Adolf geschaffen hat.

Kapelle in Kardinalsrot

Der Kurienkardinal, den Liszt mindestens dreimal in Schillingsfürst besucht hat, ließ eine Kapelle einrichten, die 40, 50 Menschen fasst. Ihre Bänke sind, wie üblich, nicht allzu bequem, aber die Atmosphäre ist feierlich und zugleich gemütlich wie in einem großen Wohnzimmer, das mit goldgerahmten Gemälden, dicken Teppichen und Vorhängen in Kardinalsrot ausgestattet ist – ein Wohnzimmer mit drei Altären freilich.

Man braucht hier kaum Phantasie, um sich auszumalen, wie der Kardinal, der heutzutage von einem großen Ölbild herab in die Kapelle schaut, zum Beten kniet, neben sich Liszt, wie üblich gekleidet in der schwarzen Soutane seiner späten Jahre. Liszt, das muss man noch wissen, empfing von Gustav Adolf die niederen Weihen. Damit war er kein Priester, hätte aber als Abbé, als Weltgeistlicher bei liturgischen Handlungen assistieren dürfen.

Mit Liszt-Stücken in der Schlosskapelle: Susanne Sperrhake (Rezitation) und Lars David Kellner (Harmonium)

Lars David Kellner hatte die richtige Musik für eine solch beziehungsreiche Konstellation. Er spielte Stücke von Franz Liszt, Kazue Isida und Max Reger; Susanne Sperrhake fügte als Rezitatorin mitfühlend Passagen aus Briefen dieser Komponisten hinzu, was ein stimmiges Gesamtkonzept ergab.

Mitgebracht hatte der Pianist (...) aus München für das Konzert zwei Tasteninstrumente, die immer ein wenig exotisch wirken, eine Celesta für die minimalistisch silbrig flirrenden Vogelstücke von Isida und ein Mannborg-Harmonium für Andächtiges von Liszt und für drei Lied-Transkriptionen von Reger.

Kellner war bei seiner Beschäftigung mit der Musik von Franz Liszt auf das fast vergessene Harmonium gestoßen. Noch vor hundert Jahren weit verbreitet, aber auch als „Halleluja-Pumpe“ bespöttelt, ist es doch ein Instrument mit eigenen Möglichkeiten. Ätherisch, sanft bebend wie hohe Streicher kann es klingen, aber auch brausend wie eine Orgel im vollen Werk – von außen beim Vorbeigehen an einer Kirche gehört.

Kellner nutzte mit Organistenlegato-Fingersätzen und sicherem Gespür für die sanglichen, feindynamischen Möglichkeiten des Harmoniums dessen Register, Oktavkoppeln, die Manual-Register-Teilung und die beiden Crescendo-Kniehebel, um Liszts Musik zu illuminieren.

Ein knappes Dutzend Stücke, darunter das „Angelus“, „Am Grabe Richard Wagners“ und den „Papst-Hymnus“, hatte er ausgewählt. Einfach gesetzt sind sie, oft schmucklos aufs Wesentliche konzentriert. Sie wirken aber sehr kontemplativ und in sich gekehrt – man müsste sie mit gefalteten Händen spielen, wenn das nicht schwerfiele. Die Schlichtheit der Faktur belebte Kellner aufs Schönste mit seinem Harmonium. Es verströmte einen dezent harzigen Klangfarbenzauber, Weihrauch für die Ohren.

Thomas Wirth, Fränkische Landeszeitung