Rachmaninoff: Harmonium solo, aus Op. 9
Rachmaninoffs zweites Klaviertrio op. 9 wurde erstmals 1893 beim Verlag Gutheil veröffentlicht. In dieser Erstausgabe ließ der Komponist das Hauptthema des zweiten Satzes mit einem Harmonium-Solo einleiten, und das Harmonium ist es auch, das den Satzes mit einer kurzen Remineszenz an dieses Thema abschließt. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass man für dieses Klaviertrio tatsächlich vier Spieler benötigt. In seinen späteren Überarbeitungen des Trios (1907 & 1917) verzichtete Rachmaninoff – vermutlich aus praktischen Gründen – auf dieses Instrument und ließ statt des Harmonium-Solos den Pianisten übernehmen. So konnte das Stück nun von drei Spielern aufgeführt werden.
Um dies zu erreichen, war es nötig, die Rollenverteilung innerhalb des Stückes zu verändern. Überdies führte Rachmaninoff bei der Übertragung des Solos auf das Klavier einige klanglichen Veränderungen durch, die sich aufgrund der Verschiedenartigkeit der beiden Tasteninstrumente ergeben.
Betrachtet man den Umfang der Melodie (c’ bis c’’’) und die Registeranweisungen des Komponisten ([4] für den Diskant, nicht aber für den Bass), so wird überdies deutlich, daß der Einsatz eines Saugwindharmoniums obligat ist. Denn nur bei diesem Instrumententypus ist aufgrund der im Vergleich zum Druckwindharmonium niedriger liegenden Teilung (üblicherweise zwischen h und c’ anstatt zwischen e’ und f’) eine homogene Darstellung der Kantilene gewährleistet.
Eine authentische Interpretation des Harmonium-Solos kann daher nur mit einem Saugwindinstrument auf Grundlage der Erstausgabe gelingen. Lars David Kellner hat Rachmaninoffs "Harmonium Solo" bereits Anfang 2016 erstmals als (Live-) Aufnahme präsentiert. Für die hier vorliegende Studio-Einspielung wählte der Künstler ein Saugwind-Instrument von Schiedmayer aus.
Rachmaninoff hatte bekanntermaßen eine starke Affinität zum Harmonium. Auf dem Landgut des Komponisten in Ivanovka finden sich beispielsweise mehrere solche Instrumente. Es ist gut denkbar, daß das Harmonium auch schon den jungen Rachmaninoff angesprochen und inspiriert hat. Eine seiner frühesten Kompositionen, das Lento in d-moll (1887), ist musikalisch so konzipiert, daß sämtliche Basstöne manuell gehalten werden und alle Stimmen im legato geführt werden können. Es ist daher gut für Harmonium geeignet.
Die live Ersteinspielung des Harmonium-Solos finden Sie hier.
Aufnahme: Wendlingen, Schiedmayer Saugwindharmonium #64058.
Lars David Kellner, Harmonium.